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Landwirtschaftliche Produktion
Die für den Rieselbetrieb
angekauften Flächen stellten in der Regel sehr
sandige, nährstoffarme Standorte dar, die in den
Sommermonaten -in Abhängigkeit von den Niederschlagsverhältnissen-
oft Wassermangel auf-wiesen. Viele der alten Eigentümer
waren froh, für diese Flächen einen relativ
guten Verkaufspreis zu erzielen.
Durch die Aufbringung des Abwassers wurden diese
Standorte stark verändert. Die Schwebstoffe im
Abwasser bildeten nach einigen Jahren Rieseltätigkeit
mächtige humose Oberböden aus, welche deutlich
bessere Wasserspeichereigenschaften als früher
aufwiesen. Das Abwasser beförderte zugleich erhebliche
Düngermengen auf die Felder. In 1.000 m³ Abwasser
wies Müller (1897) 60 kg Kalium, 20 kg
Phosphat und 85 kg Stickstoff nach, davon etwa
30 % als leicht Pflanzenverfügbares Nitrat.
Die Rieselfelder wandelten sich zum Gemüse- und
Obstgarten Berlins. Denn an den Wegen zwischen den Rieselgalerien
standen etwa 8.000 bis 10.000 Obstbäume je Rieselgut.
Das Mähgut aus der Grünlandwirtschaft wurde
an Mastrinder und Milchkühe verfüttert. Auf
diese Weise schloss sich ein Kreislauf von Ver- und
Entsorgung um die wachsende Metropole.
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Mit den steigenden Abwassermengen
fand auf einigen Rieselgütern auch eine Überdüngung
der Flächen statt. Die Pflanzen waren nicht mehr
in der lage alle Nährstoffe aufzunehmen, die Speicherfähigkeit
des Bodens war überschritten. So berichtete Müller
(1887) schon über einen massiven Stickstoffeintrag
in den Teltower See der zu einem starken Algenaufwuchs
im Sommer führte. In Malchow und Blankenburg waren
"Abwasserpilze" in so großer Menge aufgetreten,
dass Abwassergräben verstopften (Kolkwitz &
Zahn 1919) und sich "mephistische Dünste" ausbreiteten
(Müller 1887).
Bis etwa 1945 gab es typische Flächennutzungen
mit Anbau von Winter- und Sommergetreide, Mais und Kartoffeln,
die ein- bis zweimalig in Herbst oder Winter berieselt
wurden. Hier lagen die Erträge jedoch deutlich
niedriger als auf nicht berieseltem Land (MEINICKE &
BERNITZ 1996) Gemüse und Rüben erhielten dagegen
bis zu sechs Abwassergaben pro Jahr. Es wurden vor allem
Kohl, Bohnen, Erbsen, Gurken, Spinat, Rüben, Schwarzwurzeln,
Sellerie und Porree angepflanzt. Die Anpflanzung erfolgte
auf etwa 1 m breiten Dämmen, die von Bewässerungsfurchen
umgeben waren. Am optimalsten entwickelte sich jedoch
Thimotee- und ital. Raygrass, welches bis zu acht Schnitte
pro Jahr lieferte und ganzjährig berieselt werden
konnte. Vorteilhaft am Raygrass war zusätzlich
die fehlende Winterhärte. Die Flächen wurden
also jedes Jahr gepflügt und neu eingesät,
was der Rieselmüdigkeit vorbeugte (HAHN & LANGBEIN
1928).
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Tab. 3.1.2: Typische
Früchte der Berliner Rieselfelder und deren
Berieselungsmengen und Zeitpunkte (n. HAHN &
LANGBEIN 1928 u. pers. Mitteilung Berliner Stadtgut
GmbH 1998)
Frucht
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Berieselungs-
intervalle / a
|
Berieselungs-
zeitpunkt
|
Berieselungs-
menge [mm]
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Berieselungs-
art
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Wintergetreide
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1
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Herbst
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100-500
|
Furche
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Sommergetreide
|
2
|
Winter
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200-1000
|
Furche
|
Kartoffeln
|
2
|
Winter
|
200-1000
|
Furche
|
Rüben
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4-6
|
Winter/Sommer
|
400-3000
|
Furche
|
Gemüse
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4-6
|
Frühjahr
|
400-3000
|
Furche
|
Gras
|
4-8
|
ganzjährig
|
400-4000
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Einstau
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Besonders wichtig war der Obstanbau
auf den Rieselgütern. Sie verfügten durchschnittlich
über 8-10.000 Obstbäume an Dämmen und
Wegen (HAHN & LANGBEIN 1928). Gut Malchow verfügte
z. B. über eine doppelseitige Wegebepflanzung
mit 22.800 Apfel- und 5.500 Birnenbäumen. Deren
Ertrag 1924 bei circa 34,5 t Äpfeln und
121,5 t Birnen lag. Es wurden außerdem
Kirschen, Pflaumen, Erdbeeren, Himbeeren und Kürbisse
für den Berliner Markt produziert (MEINICKE &
BERNITZ 1996).
In Buch wurde bis Kriegsende überwiegend Gemüse
angebaut. Ab Anfang der 50er Jahre musste auf Grünlandwirtschaft
umgestiegen werden, um die Abwassermengen zu bewältigen.
Der Düngewert des Abwassers bestand in erster
Linie aus organischem Stickstoff in schwerlöslicher
Form, Kalium und Phosphor. Bei einer Berieselungsmenge
von 100 mm/a wurde dem Boden 340 kg/ha N,
240 kg/ha K und 80 kg/ha Phosphorsäure
zugeführt (HAHN & LANGBEIN 1928). Aufgrund
der schlechten N-Verfügbarkeit wurde zusätzlich
mit Ammonium gedüngt. Zur Ertragssteigerung wurde
auch Stallmist und Superphosphat eingesetzt (HAHN
& LANGBEIN 1928).
Wurde der Boden
bearbeitet, gepflügt, geeggt und gehackt behielt
er über einige Jahre seine Reinigungsleistung bei.
Durch das Lockern wurde die Mineralisation der organischen
Abwasserbestandteile gefördert und deren Nährstoffe
freigesetzt. Wurden jedoch größere Mengen
Abwasser ausgebracht und der Boden wie bei Grassland
nicht bearbeitet, verblieben die partikulären Abwasserinhaltsstoffe
auf der Bodenoberfläche und führten zu einer
fast luftdichten Versiegelung der Bodenoberfläche
bzw. verstopften den Porenraum, so dass die Versickerung
eingeschränkt oder gänzlich unmöglich
war. Ein Fruchtanbau war auch nicht mehr möglich.
Diesen Zustand beschreiben HAHN & LANGBEIN (1928)
als rieselmüden, verfetteten und verseiften Boden.
Der "Fettgehalt" betrug nach damaligen Untersuchungen
bis zu 13,8 % der Schlammtrockensubstanz (HAHN
& LANGBEIN 1928).
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Die Schäden
durch Übernutzung konnten nicht einmal durch Kalkung
und Tiefpflügen behoben werden. Um Strukturschäden
vorzubeugen wurde Rieselland mit 2 t/ha Kalk oder
Mergel im Abstand von etwa 5 Jahren behandelt. Solch
eine Maßnahme führte zu einer Ertragssteigerung
beim Rübenanbau in Hobrechtsfelde von 30 t/ha
auf 200 t/ha (HAHN & LANGBEIN 1928). Eine zweite
Möglichkeit der Rieselmüdigkeit entgegenzuwirken
war das Abschieben der oberen Zentimeter verschlammten
Bodens. Dieses Material wurde an die Beckenränder
verbracht und diente zur Verstärkung und Erhöhung
der Dämme.
Ab 1967 wurden 1.133 ha der Bucher Flächen
auf einen sogenannten Intensivfilterbetrieb umgestellt,
bei dem mehrere Tafeln zu großen Becken zusammengelegt
wurden und mit bis zu 2 m hohen Dämmen umgeben
wurden (AUHAGEN et al., 1994). Beschickt wurden die
Becken nun mit teilweise mehr als 10.000 mm/a.
1984 mit der Inbetriebnahme des Klärwerkes Nord
bei Schönerlinde verloren die Rieselfelder ihre
einstige Bedeutung. Heute sollen die Flächen zu
einer offenen, waldgeprägten Erholungslandschaft
umgestaltet werden.
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